Schon der Name klingt nach Verheißung: Im Wort „Raunächte“ schwingt Magie, und diese dunklen Stunden laden ein, im sanften Schein einer Kerze nach dem Geheimnis zu suchen. Die Welt da draußen ist still, die Dorfstraßen sind leer, nur der Sturm heult ums Haus. Die Grenzen zwischen den Welten verschwimmen mit meiner Konzentration auf das Übersinnliche.
Ich ahne, wie es früher war in diesen russgeschwärzten Eifeler Bauernhäusern, wo ein Holzverschlag die Betten begrenzte und über dem Feuer der Kessel hing, wo die Decken so niedrig waren, dass sie nur gebückt Eintritt gewährten und kleine Fenster wenig Tageslicht erlaubten. Der heulende Sturm verstärkte in den Nächten die Angst vor den Perchten, die in teuflischer Jagd ums Haus tobten. Ich bin sicher, dass mancher tatsächlich versucht hat, in jenen verwunschenen Tagen ängstlich mit den Tieren zu flüstern, die wie die Menschen in die Häuser flohen, um dem wilden Treiben draußen zu entkommen.
Gerade habe ich das zerfledderte Orakel des chinesischen I-Ging hervorgeholt, und ich werfe drei Münzen. Sie fallen nach dem Zufallsprinzip, und ich versuche, mit ihnen den Lauf der Zeit anzuhalten, indem ich nach der Antwort auf eine konkrete Frage suche. Ich stelle mich dem Universum und warte auf sein Raunen. Das Ergebnis ist mein Geheimnis. Doch es ist, als spräche ein guter Freund mit mir. Ein Freund, der rät und warnt, ermutigt und tröstet.
Der Psychologe C.G. Jung war so beeindruckt vom „kollektiven Unterbewussten“ des I-Ging, dass er die Hexagramme als Archetypen bezeichnete, die es wert seien, studiert zu werden.
Ich räuchere mein Zimmer und folge seinem Rat. Mögen die schwelenden Kräuter die Weissagungen verstärken. Möge das kommende Jahr mich wandeln. Mögen die Raunächte ihren Teil dazu beitragen – im besten Sinne.