Manchmal ist es mir wichtig, zu spüren, wie die Landschaft um mich herum die Menschen geprägt hat. Die Eifel galt lange Zeit als Armenhaus, das böse Wort von „Preußisch Sibirien“ machte die Runde. Armut und fromme Ergebenheit waren die Eckpfeiler dieser Welt.
Ich bin als Wuppertalerin in diese Region gezogen und kann mich heute nur mit Texten und Bildern einfühlen in dieses armselige Gestern. Da hilft mir die bildreiche Sprache von Clara Viebig (1860-1952), die in ihrem Buch „Das Kreuz im Venn“ den früheren Alltag eindringlich beschreibt:
Des Huesgen-Jörres Bärb war als letzte in die Kirche getreten. Langsamer als die anderen war sie bergan gegangen; die Füße waren ihr dick. Sie hatte die ganze letzte Nacht zu waschen gehabt, beim ersten Sonnenstrahl schon hatte sie aufgehängt; und dann, ohne das Bett zu berühren, das sie mit dem Kathrinchen und dem zweijährigen Drückchen teilte, war sie zur Fabrik hinunter gegangen, als der Tau noch gefroren die Gräser bereifte. Brennend hatten ihre Augen nach Schlaf verlangt den ganzen Tag. Während die anderen Mittagszeit machten, ihr Brot verzehrten und von ihren Liebsten sich was erzählten, hatte sie sich zwischen den Lumpensäcken lang hingestreckt. Sie mochte nicht essen, und von einem Liebsten zu erzählen hatte sie auch nicht.