Der Wettbewerb um den Bachmann-Preis hat mich an ein Erlebnis erinnert: Ich war Redakteurin in der Kulturredaktion der Zeitung „Die Welt“ und durfte prüfen, welche Texte mir für die Veröffentlichung in der Beilage „Geistige Welt“ geeignet erschienen. Eines Tages flatterte mir die Arbeit eines jungen Mannes auf den Tisch, der über den österreichischen Lyriker Georg Trakl geschrieben hatte. Der Text war kreativ und inspiriert, voller Rhythmus und Gefühl. Er brachte mir den Dichter auf intensive Weise näher. Ich war begeistert.
Allerdings: Der Artikel war zu kurz. Wir hatten genau Vorgaben für die Textlängen, und die mussten erfüllt werden. Ich bat den Autor also um Erweiterung des Artikels. Es dauerte eine Weile, bis seine Arbeit zurück kam. Doch meine Enttäuschung war groß. Er hatte den Klang, den Rhythmus seines Textes nicht ausweiten können. Beim Schreiben der Urfassung war er offensichtlich auf solch geheimnisvolle Weise mit seinem Stoff verwoben, dass die Überarbeitung des Verstandes nicht mithalten konnte.
Was dies mit dem Bachmann-Preis zu tun hat? Nun, der Juryvorsitzende Hubert Winkels bestätigte in einem seiner Statements, dass es Texte gibt, die auf unerklärliche Weise vollkommen sind und ein Geheimnis bergen, eine Fülle an Ausdruck und Harmonie, die letztendlich nicht erklärlich ist.
Ist es die Sehnsucht nach solch einem Leseerlebnis, das zum Lesen und Schreiben verleitet? Und woher rührt diese Magie? Der Verstand sagt mir dazu nichts.
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