Was würde Asterix dazu sagen?

Wie oft habe ich ihn mir vorgestellt, diesen Druiden mit seinem langen weißen Bart. Vorsichtig steigt er auf eine Eiche und löst mit der goldenen Sichel eine Mistel vom Zweig. Jeder Asterix-Leser weiß, dass sie eine wichtige Zutat für den Zaubertrank ist und übermenschliche Kräfte verleiht. Obelix kann in Ruhe Wildschwein essen. Sein Dorf ist unbesiegbar – auch dank der wunderbaren Mistel.

Die Pflanze galt als heilig, ihr wurde mit Ehrfurcht begegnet, denn sie war mit mächtigen Naturgeistern im Bunde, übermittelte wichtige Botschaften und schenkte Heilkräfte und Fruchtbarkeit. Bis heute glauben viele, dass sie auch die Liebe stärken kann und küssen sich schwelgerisch unter Mistelzweigen. Selbst der Buchmarkt profitiert von den Zauberkräften: „Misteln im Schnee“, „Misteln im Nebel“ oder „Blut und Misteln“ heißt ein Teil der Auswahl, bei der sich der geneigte Leser bedienen kann. Und was sich hinter dem Titel „Küsse unter dem Mistelzweig“ verbirgt, kann ja nur ein Liebesroman mit allen Höhen und Tiefen sein.

Der Wirtsbaum ist tot.

Allerdings – so viel ist sicher – die Mistel darf nicht im Übermaß wachsen, sonst tötet sie ihren Wirt, den armen Baum. Und genau das ist heute der Fall. Viscum album ist auf dem Vormarsch. Die Weißbeerige Mistel bereitet vor allem Streuobstwiesenbesitzern Kopfzerbrechen. Früher tauchte das immergrüne Gewächs nur selten in der hiesigen Kulturlandschaft auf, heute ist es an vielen Bäumen sichtbar.

Ein Grund der Vermehrung: Die Beeren dienen mindestens 27 Vogelarten als Nahrung. Sie nehmen sie auf, scheiden die unverdaulichen Samen mit dem Kot aus und verbreiten ihn. Mit zunehmender Größe benötigt die Mistel mehr Wasser, Mineral- und Nährstoffe. So geht das betroffene Gehölz langsam zugrunde. Hinzu kommt, dass die langen trockenen Sommer die Wirtsbäume geschwächt haben. Sie sind anfälliger und überlassen eher der Mistel das Feld.

Zu viel des Guten entzaubert selbst Heiliges. Habe ich früher voller Freude die kugeligen Misteln entdeckt, sehe ich mit Sorge die befallenen Bäume. Beim letzten Sturm sind sie umgeknickt wie Streichhölzer. Aus Streuobstwiesen wurden kahle Flächen. Was würde Asterix wohl dazu sagen?

Ein Baum voller Misteln.
Selbst stolze alte Linden sind befallen.

2 Gedanken zu “Was würde Asterix dazu sagen?

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