Lausche dem inneren Spiel

Gestern war es wieder so weit: Ich saß an der Gitarre, und die Finger folgten nicht meinen „Anweisungen“. Immer und immer wieder spielte ich eine Sequenz, doch das Training ermüdete Geist und Hände. Nichts war spielerisch und leicht.

Das Schlimmste aber: Selbst wenn ich für ein Stück die Technik mühelos beherrsche, fehlt dem Spiel oft die Seele, und schon stellt sich die Frage: Wo ist die zu finden? In seinem Buch „Der Mozart in uns“ rät der Kontrabassist und Hochschullehrer Barry Green – gute Technik vorausgesetzt, einfach dem „Inneren Spiel“ zu lauschen, sozusagen willenlos zu werden. Er versichert, irgendwo in mir gäbe es diesen Mozart-Meister, der genau wüsste, wie gespielt werden muss. Ich solle einfach loslassen, das Denken ausschalten und mich willenlos dieser Regie überlassen. Dann bräuchte ich nicht einmal mehr in die Noten zu schauen. Die Finger meistern das lang Geübte  alleine.

Ich habe es ausprobiert: Nur manchmal, ehrlich gesagt, ganz selten, ist es mir gelungen. Und wenn, dann war da ein Glücksgefühl. Ich kann es nicht beschreiben.

Das aber hat Peter Altenberg versucht und meines Erachtens großartig gemeistert. Hier ist seine kleine Erzählung über die Seele in der Musik:

Die Kleine übte Klavier.
Sie war zwölf Jahre alt und hatte wundervolle sanfte Augen. 
Er ging im Zimmer leise auf und ab, auf und ab. 
Er blieb stehen – und lauschte und wurde eigentümlich ergriffen. 
Es waren ein paar wundervolle Takte, die immer wiederkehrten. 
Und das kleine Mädchen brachte alles heraus, was darin lag. Wie wenn ein Kind plötzlich ein Großer würde!
„Was spielst du da?“ sagte der Herr.
„Warum fragst du“ Das ist meine „Albert-Etüde, Bertini Nr. 18, wenn ich die spiele, muss ich immer an dich denken…“
„Warum…?“
„Ich weiß nicht, es ist schon so.“
Wie wenn ein Kind plötzlich ein Weib würde. 
Er ging wieder leise auf und ab…
Das kleine Mädchen übte weiter. Bertini, Nr. 19, Bertini 20, Nr. 21, 22, 23…. aber die Seele kam nicht wieder. 

Und hier ist es: Henri Bertini Nr. 18, ganz offensichtlich gespielt von einem Erwachsenen. Ist da Seele in der Musik?

Das Foto ganz oben ist von Steve Johnson von Pexels. Ein Dankeschön dafür.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s