Ich faste Nachrichten

Im Supermarkt kam mir gerade eine Verkäuferin weinend entgegen: „Mein Enkelchen hat gesagt: ‚Die Oma hat mich gar nicht mehr lieb.‘ Ich durfte den Kleinen nicht in den Arm nehmen. Die Mama hat es verboten.“

Im Städtchen begegnen mir immer wieder allein stehende Frauen, die mich mit ratlosen Augen anschauen und fragen, wann es vorbei ist. Mit ihnen zusammen haben wir einen Verein gegründet, in dem wir „gemeinsam gut älter werden wollen“. In Gruppen kann gespielt, getanzt, gekocht, gebastelt, gestrickt, gesungen, gemalt oder Fahrrad gefahren werden. Corona sagt ab – bis auf weiteres.

Einige von ihnen nähen jetzt Mundbedeckungen für ein nahe gelegenes Krankenhaus. Wenn sie ein paar fertig haben, hängen sie die Beutel draußen an die Tür und lassen sie abholen. Kein Kontakt. Nirgends.

Und immer häufiger treffe ich Menschen mit Mundschutz und Gummihandschuhen, die mir todkrank vom Mars gestiegen zu sein scheinen, und meine Gedanken in nur eine Richtung lenken: Corona.

Tag für Tag Sondersendungen, ein Radio voller Interviews, wie das neue Leben auch überaus witzig gestaltet werden könnte, und Zahlenwerk, das mir angesichts der Dauerberieselung unangemessen erscheint. In unserem 5000-Einwohner-Städtchen – so sagt die Statistik – sind zwei Menschen infiziert. ZWEI.

Ich frage mich mit Dr. Rüdiger Dahlke, der dazu ein Video veröffentlicht hat, ob sich schon jemand Gedanken gemacht hat, was diese gesendete Panikstimmung, diese immer wieder geschürte Angst in der menschlichen Seele anrichtet. Wird auch ab und zu über Psychosomatik nachgedacht oder zählt allein die „Schulmedizin“?

Seit Wochen habe ich meine Enkel nicht gesehen, aber ich darf nicht klagen, denn ich bin noch gut dran: Es gibt alte Menschen, die überhaupt keinen Besuch mehr bekommen und – vielleicht am Rande der Demenz – überhaupt nichts mehr verstehen. Möchte man da nicht lieber sterben, woran auch immer? Und es gibt Menschen, die sich hassen, aber auf engem Raum miteinander auskommen sollen. Ist das noch verhältnismäßig?

Und das Merkwürdigste: Nicht einmal meine Lieblingssendung, die „Kulturzeit“ kurz vor Acht, bietet Auswege und hat sich der Pandemie verschrieben. Hier referieren nun Philosophen über Einsamkeit und Ausnahmezustände, Schriftsteller reden über gescheiterte Buchpräsentationen und am Ende macht sich Piff Paff mit Klopapier im Hintergrund über die Abgründe der Krise lustig.

Ist das noch verhältnismäßig?

Ich meine „nein“ und gehe hinaus in den Frühlingsglanz. Hier atme ich durch und faste Nachrichten. Denn diese Nachrichten machen krank.

Auch ein Abendspaziergang zur besten Nachrichtensendezeit ist wohltuend, zumal, wenn der Ostervollmond „regiert“.

2 Gedanken zu “Ich faste Nachrichten

    1. Ja, und es ist traurig, dass Kritiker dieses Kurses überhaupt nicht mehr zu Wort kommen, selbst namhafte Wissenschaftler werden in die Dumpfbacken-Ecke gedrängt. Da ist es besser, sich das alles nicht anzuschauen. Draußen herrscht die Frühlingssonne.

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