John Seymour ist an allem schuld. Der Bauer aus dem englischen Suffolk setzte mir diesen Spleen vom „Leben auf dem Lande“ in den Kopf – mit Büchern, die lückenlos an die Bilder der Kindheit anknüpfen. Der Hof mit dem Schwein in der Suhle und dem Hahn auf dem Misthaufen ist schon ein Lieblingsmotiv der Kleinsten, und Seymour machte daraus Bilderbücher für Erwachsene, die in überfüllten Supermärkten davon träumen, ihre eigenen Kartoffeln zu ziehen und mit jedem Ausflug ins Grüne die Sehnsucht nach Alternativen nähren: Wer sich nur noch mühsam vorstellen kann, wie die Äpfel in die Kiste des Gemüsehändlers gelangen, wird schwelgerisch, wenn er tatsächlich zwischen Obstbaum-Veteranen steht. Und das Wiesenschaumkraut bestätigt ihm mit jedem Wippen der Blüten im Frühlingswind die Thesen der Werbe-Texter: Im Land der glücklichen Kühe können auch Menschen zufrieden lächeln.
Ganz so einfach ist es nicht. Ich habe fast sieben Jahre gebraucht, um rundum zufrieden auf die weiten Wiesen zu schauen und das Pendlerleben zu genießen. Aber jetzt – in diesen merkwürdigen Corona-Zeiten – ist es ganz offensichtlich, dass Landleben Vorteile hat – und nicht wenige. In Wäldern und auf den Feldern ringsum ist der Zwei-Meter-Abstand eine Vokabel von einem anderen Stern. Und selbst am Ausflugssee läuft wochentags allenfalls ein verliebtes Paar vorbei.
Auch die Versorgungsstationen sind übersichtlich gefüllt. An der Kasse bilden sich keine Schlangen. Im übrigen ist es leicht herauszufinden, wo was wann organisiert werden kann, denn die Nachbarschaftshilfe funktioniert auch ohne Plan. Und wenn der Nobbi im Garten nebenan seinen Mäher anschmeißt, können wir vorher noch gemütlich über den Zaun hinweg die Weltlage diskutieren.
Fast scheint mir, als zeichne sich eine Trendwende ab: War in den letzten Jahren die Sehnsucht nach dem Stadtleben übergroß und führte in Köln zu schwindelerregenden Immobilienpreisen, rückt das Landleben wieder in den Fokus. Hier gibt es sie noch, die stillen Winkel und die kleinen Fluchten, in denen die Sehnsucht nach Rückzug gestillt werden kann, und die Schönheit der Natur ein paar Sorgen tilgt – zumindest glückliche Sekunden lang.
Und da die Stadt derzeit nicht einmal mit Theater, Kino oder einem guten Restaurant locken kann, begnüge ich mich gerne mit dem gerade eingerichteten Lieferservice des Gasthauses im Nachbarort. Dann muss ich wenigstens nicht jeden Tag kochen.
Und gerade habe ich mal wieder in John Seymours Buch „Leben auf dem Lande“ geblättert. Sicher, ein wenig altbacken wirkt es – wie einiges auf dem Land, aber vielleicht sollte ich doch endlich einmal versuchen, Kartoffel zu ziehen. Schließlich versucht Seymour seit 24 Jahren, es mir zu erklären.
Wunderbar! Und Kartoffeln ziehen ist wirklich einfach – das meiste können sie selbst 🙂 (Das weiß ich aus Erfahrung, denn ich hab mal überkeimende auf den Kompost geworfen und vergessen. Als ich im Herbst was umschaufeln wollte fande ich eine Menge toller, und dazu noch wohlschmeckender Kartoffeln). 🙂
Danke, das klingt gut. Ich werde es versuchen, zunächst mit einem ganz kleinen „Feld“.
Danke für den Buchtipp. Wir wohnen hier ja auch fast ländlich. Und ich finde auch, es zeigt seine Schönheit besonders jetzt.
Das Buch ist sehr alt. Ich habe es noch in der „Urfassung“ im Regal, aber gerade habe ich gesehen, dass es neu aufgelegt worden ist. Wer gerne in Büchern blättert und gleichzeitig vom autarken Leben träumt, wird hier fündig. Es wird wirklich so gut wie alles erklärt, was zum Landleben gehört, mit herrlich altmodischen Zeichnungen dazu. Siehe das Bild oben.