Wie es so ist: Da fiel mir plötzlich ein schmales Bändchen ins Auge, das schon lange im Regal, ich muss es zugeben, verstaubt. Schon das Titelbild, ein Topf mit dampfend-roter Suppe auf einer Schreibmaschine, weckte Erinnerungen an Kochabende mit guten Freunden – bevorzugt wurden Rezepte, die ich nicht kannte.
Dabei stand mir oft „Manuel Gassers Köchelverzeichnis“ zur Seite. Der Autor verstand es, mich über kochende Freunde und Verwandte plaudernd zu einem Rezeptchen zu führen und dann ganz nebenbei die Ingredienzien zu verraten. Da war zum Beispiel von Marie F. die Rede, die das obige Bild schön ziert, und die ihre Gerichte in „ersten Kreisen“ fand, denn sie verkehrte „wie die Altkleiderhändlerin Frau Stuhl“ in den „Buddenbrocks“ bei besonders feinen Leuten, wo sie ab und zu ein Quentchen vom Glück in Form eines Rezepts erhaschen konnte. Aber auch die Arme-Leute-Küche war Manuel Gasser manches Wörtchen wert, und ganz entzückt war er von „Delikatem aus dem Inneren des Kalbes“.
Ich erinnere mich, wie er mich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben verführte, die Ochsenzunge zuzubereiten. Und dies, obwohl ich vorgewarnt war, las ich doch, dass der Sonntag den Zwei-, Drei- und Vierstünder-Rezepten gehört.
Nie werde ich vergessen, wie ich die riesige Zunge mit spitzen Fingern wusch, dabei ihr Äußeres mit Argwohn betrachtete, mich während des dreistündigen Garens unter seltsam duftenden Dämpfen ständig fragte, ob das wirklich jemand essen wolle, um dann das schuppige Äußere abzuhäuten. Geradezu erleichtert war ich, als ich das Exemplar endlich in Stücke schneiden durfte, um die merkwürdig nach oben gebogene, platt zulaufende Form nicht mehr sehen zu müssen.
Ihr merkt schon: Das war jetzt nicht so ganz richtig was für mich. Aber diese Erinnerungen…
Danke Manuel Gasser.