Ich habe verstanden

Für eine Autorin gibt es kaum etwas Spannenderes, als zu erfahren, wie ihr Buch bei den Lesern ankommt. Seit Wochen wird mein Roman „Diese ganze verfluchte Sehnsucht“ beurteilt, und ich bin erstaunt, wie unterschiedlich die Schwerpunkte gesetzt werden: Stefan Lieser vom Kölner Stadt-Anzeiger gefiel vor allem die Liebe zwischen Luise und Karl, „diese sensible Schilderung des Neubeginns einer alten Liebe: von unsicheren, tastenden, ersten Versuchen bis zur Erotik zweier alter Menschen“.

Merve Polat vom Aachener Zeitungsverlag interessiert sich für den gesellschaftlichen Aufbruch, und auch Kurt Pothen vom belgischen „Grenz-Echo“ sieht vor allem die politische Dimension: „Zwar hat mich als Leser der Roman „Diese ganze verfluchte Sehnsucht“ mit dem einen oder anderen angerissenen Thema ins Leere laufen lassen und mitunter erschien mir – beispielsweise zum Thema Windräder auf dem Land – der Aufklärungswille der Autorin recht dominant, dennoch kann und möchte ich diese Lektüre absolut empfehlen, weil sie eine kluge, sensible Aufarbeitung der Zweifel und Existenzfragen einer ganzen Generation bietet. Einer Generation, die sich im letzten Drittel ihres Lebens der Frage stellt, was eigentlich von den Kämpfen und Träumen für eine bessere Welt übriggeblieben ist“.

Ingo Vollenberg, Erfinder und Leiter des Podcast „Das literarische Viertel“, findet es angesichts der Lektüre erschreckend, dass „der Spirit offensichtlich schon einmal viel weiter war“. Probleme hat er mit dem Protagonisten, dem er zwar Beifall zollt, weil er für einen spektakulären Romanauftakt sorgt, der ihn aber auch nervt wegen seiner miesepetrigen Gedanken. Viele Sympathien hegt er dagegen für den veganen Lebensstil von Andreas, der ihm das eine oder andere Rezept in den Roman geschickt hat.

Auch Freunde und Bekannte haben ihren eigenen Blick auf die „Sehnsucht“. Jutta schrieb: „Zunächst dachte ich, es wäre eine Abrechnung mit dem heutigen Journalismus und der Politik und hatte schon gedacht der Titel: „Immer diese verdammte Wut“ hätte auch gut gepasst. Aber zum Glück entpuppte es sich tatsächlich als Roman der Liebe, Protest und vergessenen Träume. Ich mag die Sprache sehr, die mich zusammen mit dem Inhalt zum Schluss hin nicht mehr hat aufhören lassen zu lesen. Man kann dann nur an die Kraft der Gedanken glauben, um positive Energien zu schaffen.“

Summer fand die verarbeiteten Inhalte sehr wichtig, und eine Freundin erfreute sich an der Zornesröte des Protagonisten angesichts der derzeitigen Krisen. Viele Leser bestätigten mir ihre Erinnerungen an den 68-Aufbruch als bittersüße Erfahrung: „Ich lese kaum Romane, aber den werde ich zweimal lesen. Ich entdecke so viele Parallelen zu Erlebnissen aus meiner Jugend wieder“, sagte Freund Kurt.

Das vielleicht schönste Kompliment hat Professor Kurt Hansen gemacht: Er schickte mir sein Buch „Alt68ereien – Reminiszenzen“ mit der Widmung „herzlichen Dank für ein melancholisches Leseerlebnis“. Wie sein Buch-Titel vermuten lässt, haben ihm vor allem die 68-Erinnerungen gefallen, und in Hinblick auf diese Zeit hat er selbst eine Menge „ApOphorismen“ verfasst, zum Beispiel: „Vater war im Krieg. Wir waren in Woodstock. Jeder hält seine Schule für die beste.“ Oder: „Man kann stumm gehorchen, man kann mürrisch gehorchen, man kann widerwillig gehorchen. Wer aber begeistert gehorcht, macht sich einer Übererfüllung des Solls schuldig“

Danke, Herr Professor, und Dank an alle Kritiker. Ich habe verstanden.

Und hier ein Interview mit Ingo Vollenberg vom Video-Podcast „Das literarische Viertel“.

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