Nun brauchen alle Hunde eine Braut

Nein, ich mag keine Kettenbriefe. Aber ich frage mich, warum nicht? Woher rührt diese Aversion, und warum ist sie bei fast jedem zu bemerken? Gab es entnervte Postboten, die es vor Urzeiten leid waren, Berge von Postkarten irgendwo hin zu schleppen und sich diesen Dienst verbeten haben oder ist das Spielchen hoffnungslos altmodisch?

Wie ich darauf komme? Natürlich, weil ich einen Kettenbrief per E-Mail erhalten habe, einen besonders netten von einer besonders netten Freundin. Um sie nicht zu enttäuschen, machte ich mit. Zumal mir das das Thema außerordentlich gut gefallen hat. Ich wurde nämlich aufgefordert, ein Gedicht an einen mir Unbekannten zu mailen, der zufällig die Nummer 1 in der Reihe war.

Wie schön, dachte ich, in diesen armselig kontaktlosen Zeiten eine Verbundenheit über ein Lieblingsgedicht herzustellen. Also machte ich mich an die Arbeit. Die Zeilen waren schnell gefunden, denn ich habe mehrere Lieblingsgedichte. Dann wurde es schwieriger, weil ich mich genau an die Anweisungen halten musste und noch nichts von Blindkopien gehört hatte. Die erste Angeschriebene erhielt gleich drei Mails mit den Vermerken „Das ist richtig“, „Jetzt ist es richtig“, „Jetzt ist es aber wirklich richtig“. Dann fand ich auch die Blindkopien und mailte bunt durch die Welt an 17 Adressaten.

Das Ergebnis war ernüchternd. Die meisten winkten ab, weil sie aus Prinzip nicht an derlei Veranstaltungen teilnehmen. Andere meldeten sich gar nicht. Immerhin habe ich drei Gedichte bekommen, nicht wie vorgeschrieben, sondern einfach so, weil ich die Mail geschickt hatte. Ist ja auch eine Idee.

Alle Drei sind wunderbar. Aber eins ist darunter, das mir ganz besonders gut gefällt. Hier ist es. Vorhang auf für Erich Kästner:

Frühling

Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang.
Die Bäume räkeln sich. Die Fenster staunen.
Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen
Und alles andere ist nicht von Belang.

Nun brauchen alle Hunde eine Braut.
Und Pony Hütchen sagte mir, sie fände:
Die Sonne habe kleine, warme Hände
Und krabble ihr mit diesen auf der Haut.

Die Hausmannsleute stehen stolz vorm Haus.
Man sitzt schon wieder auf Caféterrassen
Und friert nicht mehr und kann sich sehen lassen.
Wer kleine Kinder hat, der fährt sie aus.

Sehr viele Fräuleins haben schwache Knie.
Und in den Adern rollt´s wie süße Sahne.
Am Himmel tanzen blanke Aeroplane.
Man ist vergnügt dabei. Und weiß nicht wie.

Man sollte wieder mal spazieren gehn.
Das Blau und Grün und Rot war ganz verblichen.
Der Lenz ist da! Die Welt wird frisch gestrichen!
Die Menschen lächeln, bis sie sich verstehn.

Die Seelen laufen Stelzen durch die Stadt.
Auf dem Balkon stehn Männer ohne Westen
Und säen Kresse in die Blumenkästen.
Wohl dem, der solche Blumenkästen hat!

Die Gärten sind nur noch zum Scheine kahl.
Die Sonne heizt und nimmt am Winter Rache.
Es ist zwar jedes Jahr dieselbe Sache,
doch es ist immer wie zum ersten Mal.

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